Als
mein geliebter Purzel ohne Vorwarnung einfach auf und davon eilt, der netten
Hündin da vorne entgegen, stehe ich hilflos vis-a-vis, denn mein Hund ist in
diesem Moment vollkommen taub für meine Kommandos.
Ich
schaue Max nach, von hinten sieht er aus, wie ein kleines rennendes
Schweinchen. Und ich betrachte mich von innen und überprüfe, welche Rolle mir
in diesem Moment noch zukommt. Ich bin weder Alpha, noch Spielkameradin, noch
Jagdgefährtin, noch einfaches Frauchen, noch Dosenöffner – ich bin einfach für
meinen Hund nicht mehr existent und das nagt doch etwas an meinem
Selbstwertgefühl.
Ich
überfliege in geistiger Höchstgeschwindigkeit die Bücher und Internet Artikel
über Hundeerziehung, die ich bereits verschlungen habe. Die Grundgehorsamsübungen,
meinen so achtsam eingeübten Komm-Pfiff, die unzähligen Übungen bei Sicht von
anderen Hunden, dass Max bei mir bleiben und warten soll, bis ich ihm entweder
den Kontakt erlaube oder nicht. Die unzähligen Tipps und Tricks, die ich
bereits mehr oder weniger erfolgreich ausprobiert habe…
…
und nun stehe ich da und sehe, wie mein Hund in der Ferne mit der Hündin spielt
– Rintintin und Lassie lachen sich ins Pfötchen und mein Über-Ich flüstert mit
gepresster Fistelstimme, was für ein Loser ich doch bin, dass ich es in sechs
langen Jahren immer noch nicht geschafft habe, meinen Hund davon abzuhalten, so
ganz plötzlich wegzurennen und anderen Hunden auf den Senkel zu gehen.
Während
ich allein und verlassen in der Pampa stehe, erscheinen, erst verschwommen,
doch dann ganz deutlich die Hunde der Straßenkids vor mir, die ich in den
Städten schon so oft bewundernd beobachtet habe.
Als
stiller Zeuge beobachtet mein geistiges Auge sie auch jetzt in diesem für mich elend
verlassenen Moment, wie sie neben ihren Besitzern auf einer Decke liegen oder direkt
neben ihnen im Pulk anderer Kids stehen. Wenn die Kids aufstehen, um sich
irgendwo an irgendeinem Kiosk was zu essen oder zu trinken zu holen, so trotten
diese Hunde neben ihnen her und ganz ruhig wieder neben ihren Herrchen oder
Frauchen zurück zur Decke, während um sie herum der Mopp tobt, Autos hupen,
Menschenmassen sich vorbeidrängen oder unzählige andere Hunde mit ihren
Menschen an ihnen vorbei eilen. Nein – diese Hunde sind niemals angeleint, sie sind
mit diesen Straßenkids wie durch ein unsichtbares Band verknüpft.
Welche
Methoden wenden diese Kids an? Ich möchte bezweifeln, dass sie viele
Hundebücher lesen oder sich Gedanken um gute Hundeschulen machen. Und doch sind
diese Hunde die ruhigsten und anhänglichsten Hunde, die ich bisher gesehen
habe.
Max ist von seiner Exkursion bereits zurückgekehrt und ich überlege mir ernsthaft, eine Weile unter den Straßenkids zu leben.
Als ich jedoch meinem zerknirschten (er weiß ja, dass er nicht abhauen soll!) Hund nach seiner Rückkehr ins Auge blicke, frage ich mich:
Was
würde ich wohl als gestandener 6-jähriger Rüde im Vollbesitz meiner geistigen
und körperlichen Kräfte vorziehen? Was wäre wohl verlockender? Würstchen,
Käsestückchen, Schleckerlies oder
???
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