Sechs Monate nach der Kastration ist Max Hormonhaushalt wieder im Gleichgewicht. Die Metamorphosen-Umkehrung ist sozusagen abgeschlossen: Vom Schmetterling zur fett werden wollenden, verfressenen Raupe, die nix anderes interessiert, als grüne Blätter zu verinnerlichen.
Da liegt ein Reh im hohen Gras des Sumpfes am Bach – ein totes Reh, sehr tot!. Es ist bereits angefressen und tausende Fliegen summen um das Tier. Es stinkt, ja es stinkt. So sehr, dass Max bereits 500 m vor dessen Auffinden gezielt an diesen Ort läuft, für sein Alter mit Arthroseknochen recht flott, denn ich komme kaum hinterher.
Aber welch ein Fund! Max schnuppert daran, von einer Wolke von Fliegen umringt, leckt daran und will gerade sein Mäulchen öffnen, um endlich artgerecht zu barfen.... da komme ich mit einer Flugrolle angeflogen, packe ihn am Halsband, ziehe ihn zurück und falle rückwärts in die Brennnesseln (soll ja gut für die Durchblutung sein).
Max steht über mir, immer noch von Fliegen umringt, und schaut mich verwundert an (hoffentlich schlabbert er mir nicht übers Gesicht!)
Nur widerwillig lässt er sich abführen. Nach einer Weile lasse ich ihn frei und wir trotten unserer Wege. Jetzt im Alter, ohne Eier und daher völlig testosteronarm, schleicht Max meist hinter mir her und geiert verfressen nach irgendwelchen Futterstückchen, die ich ab und an verstecke oder werfe. Er ist tatsächlich bei allem, was mit Fressen zu tun hat, sehr aufmerksam und „ohne Ablenkung voll im Training“, so würde mancher Pro-Kastrations-Hundehalter frohlocken – aber ich finde, mein Hund hat einen sehr großen Teil seiner einstigen Interessen verloren – nämlich alles, was mit seiner Sexualität zu tun hatte, und das war eine ganze Menge.
Etwas anderes zieht Max in den Bann … da liegt dieser noch ganz frische Kuhfladen mitten auf der Weide. Nicht all die anderen Kuhfladen, sondern der besondere, wohl anders duftende Fladen. Als ich mich nach meinem Liebling umdrehe, ist er schon auf dem Weg dorthin. Da hilft kein Flöten, kein Rufen, kein Brüllen, kein Knurren, kein Drohen... Max verinnerlicht in alle Ruhe den Kuhfladen, während ich -dank der sehr guten Durchblutung durch die Brennnesseln- meinen Hintern gazellengleich in Bewegung setze. Ich komme zu spät, der Fladen ist weg, im Inneren meines Hundes.
Während wir gemächlich weiter schlendern, überlege ich, wie wohl mein Gekreische bei Max altem Gehör ankommen mag, da er gar nicht auf mich reagiert. Wie ein Flüstern durch Watte gedämmt?
Max schleicht am Haus entlang und verschwindet gen Garten um die Ecke, während ich die Haustür öffne. Da wackelt in meiner Tasche die Futterdose. Nur ganz kurz und sehr leise. Sofort schießt Max hinter der Hausecke hervor und ist ratz fatz bei Fuß....
Bemerkung:
Seit dem ich die Auswirkungen einer Kastration beim Rüden aus eigener Erfahrung miterlebe, würde ich persönlich von einer Kastration ohne medizinische Indikation abraten. Die Aggression gegenüber anderen Rüden bleibt bestehen, das sollte man ebenfalls bedenken. Max will den Nachbarrüden noch immer verkloppen und natürlich alle anderen Rüden ebenfalls. Er weiß nur nicht mehr, warum...
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